Scrum-Werte: Von der Theorie bis zur Umsetzung in der Praxis
Regeln und Werte halten unsere Welt am Laufen. Sie sind Orientierungshilfen im täglichen Leben – sei es am Arbeitsplatz oder zu Hause. Sie helfen uns dabei, Erwartungen zu formulieren und unterstützen uns bei der Entscheidungsfindung. Bei Scrum ist das nicht anders.
Scrum-Werte sind die Grundlage der agilen Praxis und haben einen starken Einfluss auf die Teamdynamik und -leistung. Doch wie sehen diese Werte aus und was bewirken sie? In diesem Artikel nehmen wir die fünf Scrum-Werte unter die Lupe und schauen uns an, wie Teams sie in der Praxis umsetzen können.
Was sind Scrum-Werte und welche gibt es?
Bei Scrum dreht sich alles darum, komplexe Probleme zu bewältigen und gleichzeitig produktiv und kreativ Produkte mit höchstmöglichem Wert zu liefern. Das Framework für agile Zusammenarbeit wurde von Jeff Sutherland und Ken Schwaber, zwei erfahrenen Softwareentwicklern, konzipiert.
Im Jahr 2010 brachten die beiden den ersten Scrum Guide heraus, um Unternehmen ein besseres Verständnis zu vermitteln und bei der Umsetzung von Scrum zu unterstützen. Dieser Scrum Guide ist für Projektteams, die mit Scrum arbeiten, mittlerweile so etwas wie ein heiliges Buch. Er enthält alle Informationen, Regeln und Erklärungen, die für Scrum nötig sind. Dazu zählen auch die Werte, die Scrum zugrunde liegen. Sie sollen sicherstellen, dass ein Team ein agiles Mindset entwickeln kann und eine Grundlage schaffen, die einen Nährboden für Agilität darstellt.
Den Scrum Guide finden Sie kostenlos online.
Die Scrum-Urväter definieren im Scrum-Guide die folgenden fünf Werte, die Unternehmen dabei helfen sollen, eine Umgebung zu schaffen, in der Teams produktiv zusammenarbeiten können:
Commitment
Fokus
Offenheit
Respekt
Mut
Im Folgenden stellen wir jeden Wert und seine Bedeutung näher vor.
Wert 1: Commitment
Commitment bedeutet, dass sich alle Teammitglieder voll und ganz für die Ziele eines Projekts einsetzen sollten. Anders gesagt: Jedes Teammitglied sollte sich uneingeschränkt dafür einsetzen, die gemeinsamen Ziele zu erreichen und mit maximaler Anstrengung zum Erfolg beizutragen. Außerdem committen sich die Mitglieder dazu, einander zu unterstützen und gemeinsam zu wachsen.
Auf Deutsch könnte man dazu auch Selbstverpflichtung sagen: Teammitglieder erlegen sich selbst eine bestimmte Pflicht auf, mit der Verantwortung einhergeht. So ist jedes Mitglied bereit, Verantwortung zu übernehmen und zuzusichern, die Arbeit in einem zeitgerechten und qualitativ hochwertigen Umfang anzugehen.
Wert 2: Fokus
Fokus bedeutet, dass alle Teammitglieder die Prioritäten des Projekts im Auge behalten und sich aufs Wesentliche konzentrieren. Das hilft dem Team, seine Energie und Ressourcen auf die Aufgaben zu richten, die am wichtigsten sind, um das angestrebte Ziel zu erreichen.
Eine klare Zielsetzung und ausreichend Konzentration sind entscheidend. Dabei hat die Arbeit im Sprint höchste Priorität. Gleichzeitig bedeutet Fokus jedoch auch, die Wünsche der Kunden und die Qualität des Inkrementes nicht aus den Augen zu verlieren.
Wert 3: Offenheit
Einer der wichtigsten Grundsätze von Scrum ist Offenheit. Die Kommunikation sollte klar und transparent sein, sodass alle Beteiligten leicht verstehen können, was vor sich geht. Das betrifft aktuelle Herausforderungen, Fortschritte oder Bedenken.
Offenheit bedeutet, Meinungen offen zu äußern, Feedback zu geben und anzunehmen und anderen unvoreingenommen zuzuhören. Diese Attribute sind nicht nur innerhalb des Teams, sondern auch gegenüber den Stakeholdern gefragt.
Schließlich sollte man nie vergessen, wofür Scrum steht: Weiterentwicklung und stetige Veränderung. Das Team sollte bereit sein, neue Ideen und Veränderungen anzunehmen und sie jederzeit umzusetzen. Dies erfordert ein gewisses Maß an geistiger Flexibilität und die Bereitschaft, sich schnell anzupassen.
Wenn das Team diesen Wert lebt, kann es Probleme und Herausforderungen rechtzeitig erkennen. So sind effektive Lösungen schneller greifbar und das Sprintziel wird nicht so stark gefährdet.
Offene Retrospektiven
Offenheit ist in besonderem Maße bei der Retrospektive am Ende des Sprints gefragt, die zu einem der wichtigsten Events im Scrum gehört. Mehr dazu lesen Sie in unserem Artikel zum Thema:
Wert 4: Respekt
Was ist die Grundlage für jede erfolgreiche Zusammenarbeit? Respekt! Jener ist deshalb natürlich auch in den Scrum-Werten vertreten. Er setzt voraus, dass alle Teammitglieder einander mit Respekt und Wertschätzung behandeln, unabhängig von ihrer Meinung oder ihrem Status.
Zum Respekt gehört auch ein gewisses Maß an Vertrauen. Teammitglieder sollten einander ernst nehmen, sich in schwierigen Situationen gegenseitig unterstützen und gesunde Diskussionen fördern.
Die Leistung jedes einzelnen wird anerkannt und das Team arbeitet auf einer professionellen Ebene zusammen. So können unterschiedliche Ansätze und Herangehensweisen nebeneinander bestehen und Teammitglieder die Beiträge jedes einzelnen wertschätzen.
Wert 5: Mut
Der letzte der Scrum-Werte ist Mut. Er ist in einer agilen Arbeitsumgebung, die ständiger Veränderung unterliegt, unabdingbar. Das beinhaltet eine gewisse Experimentierfreude und den Mut, Dinge auszuprobieren, auch wenn niemand zuvor dies gewagt hat. Das Team kommt dabei nicht umhin, dafür gelegentlich die eigene Komfortzone zu verlassen.
Teammitglieder müssen aber auch bereit und in der Lage sein, Risiken einzugehen und Entscheidungen zu treffen. Dazu gehört, in schwierigen Situationen für sich oder die eigene Idee einzustehen – aber auch, verantwortungsvoll mit Misserfolgen umzugehen und aus Fehlern zu lernen.
Scrum-Werte: Welche Vorteile bringen diese mit sich?
Die Grundwerte von Scrum sollen dafür sorgen, dass jedes Team ein Mindset entwickelt, das ein agiles Arbeitsumfeld fördert und eine höchstmögliche Effizienz und Produktivität sicherstellt. Ihre Umsetzung bringt aber auch weitere Vorteile mit sich:
verbesserte Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Teammitgliedern
stärkere Konzentration auf Aufgaben und Ziele mit hoher Priorität
effektivere Problemlösung und Konfliktbewältigung
größere Flexibilität und rechtzeitige Bewältigung von Veränderungen
mehr Vertrauen, Respekt und Wertschätzung im Team
ein Umfeld, das zum Experimentieren und zur Innovation ermutigt
höhere Mitarbeitermotivation durch mehr Selbstverantwortung
Stärkung des Teamgeistes
Von der Theorie zur Praxis: Die Umsetzung der Scrum-Werte im Team
Wenn Sie von diesen Vorteilen im Arbeitsalltag profitieren möchten, dürfen die Scrum-Werte nicht einfach in der Theorie bleiben. Jedes Teammitglied muss sie tatsächlich leben und in die Praxis einbringen.
Gemeinsames Verständnis über Scrum-Werte schaffen
Wenn ein Team beginnt, nach Scrum zu arbeiten, sollte es sich von Beginn an auch mit den Werten auseinandersetzen. Doch was passiert, wenn man diese einfach in den Raum stellt – und dort stehen lässt? In der Regel entwickeln die Teammitglieder ein eigenes Verständnis und jeder interpretiert einen Wert auf unterschiedliche Art und Weise.
Damit wäre jedoch niemandem geholfen, die Werte sollen schließlich dabei helfen, das Team auf eine Ebene zu bringen. Sie müssen zu Beginn also intensiv über diese Werte sprechen, sich über Interpretationen austauschen und ein gemeinsames Verständnis formulieren. Netter Nebeneffekt: Dieser Schritt stellt bereits ein gemeinsames Commitment dar.
Im Rahmen dieser Diskussion ist es wichtig, auch praktische Beispiele für die Anwendung der Werte im täglichen Arbeiten zu berücksichtigen. Damit werden diese greifbar und stellen keine abstrakten Begriffe dar. Mögliche Fragen im Rahmen der Diskussion sind dabei:
Was bedeutet dieser Wert für jeden von uns?
Wie setzen wir ihn in der Praxis um?
Wie möchten wir sicherstellen, dass wir diesen Wert leben?
Wie profitieren wir als Team von diesem Wert?
Das Team kann auch eine visuelle Darstellung der Scrum-Werte erstellen, etwa ein Poster oder eine Tafel, die als ständige Erinnerung dienen kann. Dieses sollten Sie an einer gut sichtbaren Stelle anbringen oder sogar als digitale Version anpinnen.
Woran lässt sich erkennen, ob ein Team die Werte lebt?
Wenn sich das Team über die Werte einig geworden ist, gilt es, diese in der Praxis umzusetzen. Es genügt natürlich nicht, ein einziges Mal über die Werte zu reden. Vielmehr sollte man im Alltag beobachten, ob das Team das Mindset verinnerlicht hat und nach diesen Werten handelt.
Doch wie erkennt man, ob ein Team die Scrum-Werte lebt, oder nicht? Wir haben eine Übersicht mit möglichen Hinweisen zusammengestellt:
Commitment
Hinweise, dass der Wert gelebt wird | Hinweise, dass der Wert vernachlässigt wird |
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Das Team hält sich an Abmachungen und Ziele | Das Team schiebt versprochene Backlog-Items immer wieder auf |
Teammitglieder unterstützen einander bei aufkommenden Problemen | Teammitglieder lassen andere mit ihren Problemen allein stehen |
Teammitglieder übernehmen Verantwortung | Das Team hält Termine oder Fristen nicht ein |
Das Team organisiert sich eigenständig | Das Team schiebt Misserfolge auf externe Faktoren |
Das Team zeigt ein hohes Maß an Motivation | Teammitglieder zeigen geringe Eigeninitiative |
Fokus
Hinweise, dass der Wert gelebt wird | Hinweise, dass der Wert vernachlässigt wird |
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Das Team verwedet eine Timebox bei Events | Teammitglieder behandeln mehrere Aufgaben gleichzeitig |
Das Team setzt Ziele durch kleine Aufgaben um | Ziele außerhalb des Sprints stören das Voranschreiten im Sprint |
Teammitglieder konzentrieren sich auf das Wesentliche | Das Team kann nicht ohne Unterbrechungen von außen arbeiten |
Ziele und Definition of Done sind dem Team bekannt | |
Es gibt eindeutige Priorisierungen |
Offenheit
Hinweise, dass der Wert gelebt wird | Hinweise, dass der Wert vernachlässigt wird |
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Das Team sucht die Kommunikation mit Stakeholdern | Das Team kommuniziert keine Ergebnisse oder Erfolge |
Das Team reagiert flexibel auf Veränderungen | Teammitglieder kommunizieren hinter vorgehaltener Hand |
Teammitglieder setzen auf offene und ehrliche Kommunikation | Im Team herrschen unterschiedliche Wissensstände |
Es herrscht Transparenz hinsichtlich der Fortschritte | Starres denken „Das haben wir immer so gemacht“ |
Es gibt eine Feedbackkultur | |
Das Team ist experimentierfreudig |
Respekt
Hinweise, dass der Wert gelebt wird | Hinweise, dass der Wert vernachlässigt wird |
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Teammitglieder schätzen einander | Bestimmte Personen oder Meinungen werden bevorzugt behandelt |
Das Team arbeitet gemeinsam an der Lösung von Konflikten | Im Team herrscht Mobbing oder Missgunst |
Es gibt keine Diskriminierung und es herrscht Gleichberechtigung im Team | Einige Teammitglieder arbeiten nicht zusammen |
Es herrscht eine Atmosphäre des Vertrauens | Teamzusammenhalt fehlt |
Ungelöste Konflikte und Spannungen belasten das Team |
Mut
Hinweise, dass der Wert gelebt wird | Hinweise, dass der Wert vernachlässigt wird |
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Das Team experimentiert mit neuen Prozessen und Herangehensweisen | Das Team traut sich nicht an neue Herangehensweisen heran |
Teammitglieder greifen Innovationen auf | Teammitglieder gehen keine Risiken ein |
Teammitglieder entwickeln sich stetig weiter | Das Team hat Angst vor Veränderungen |
Das Team ermutigt offene Diskussionen und neue Ideen | Teammitglieder begehen immer wieder die gleichen Fehler, ohne daraus zu lernen |
Tipps: So können Sie die Werte in der Praxis etablieren
Damit das agile Mindset wachsen kann, sollten Sie für förderliche Rahmenbedingungen sorgen. Dazu gehört:
Schaffung einer transparenten Arbeitsumgebung
Fördern Sie eine offene Kommunikation und den Austausch von Informationen und Ideen
Sorgen Sie für eine Feedbackkultur im Team
Setzen Sie auf Unterstützung durch Tools, die Arbeitsfortschritte transparent darstellen
Kommunizieren Sie offen, auch im Rahmen der Sprint-Review
Setzen Sie klare Ziele und definieren Sie gemeinsam Erfolgskriterien
Informieren Sie die Vorgesetzten über die Werte von Scrum, damit diese ein besseres Verständnis bekommen und das Team darin unterstützen
Regelmäßiges Überprüfen der Werte
Nutzen Sie die Retrospektiven, um Erfolge, Misserfolge und Veränderungen im Scrum-Team zu analysieren und gemeinsam zu prüfen, inwieweit sie die Werte bereits leben
Ergreifen Sie als Team Maßnahmen, um die Werte stärker im Alltag zu verankern
Fokus auf die Sprintziele und den Mehrwert für den Kunden
Priorisieren Sie Aufgaben auf Basis des Kundennutzens
Vermeiden Sie Ablenkung und unnötige Komplexität
Legen Sie Wert auf ein hohes Maß an Konzentration und schnelle Entscheidungsfindung
Verwenden Sie bei Events immer eine Timebox, um fokussiert zu bleiben
Respekt und Zusammenarbeit im Team
Wertschätzen Sie individuelle Fähigkeiten und Meinungen
Ermutigen Sie das Team, konstruktiv mit Konflikten umzugehen
Trainieren Sie, wie man konstruktives Feedback gibt
Stärken Sie den Teamzusammenhalt durch Teambuilding-Events
Fazit
Die Scrum-Werte Commitment, Fokus, Offenheit, Respekt und Mut unterstützen das Team dabei, ein agiles Mindset und eine agile Arbeitsweise zu implementieren. Die Scrum-Gründer Ken Schwaber und Jeff Sutherland haben diese Werte jedoch nicht zu Papier gebracht, damit sie dort zu lesen sind – sondern, damit Teams sie auch in der Praxis leben.
Ein gemeinsames Verständnis der Scrum-Werte ist nur der erste Schritt: Es ist wichtig, sie durch ein transparentes Arbeitsumfeld im Alltag zu verankern, sie stets im Blick zu behalten und an ihnen zu arbeiten. Mit dem richtigen Rahmen und unseren Tipps können Sie das Team dabei unterstützen, die Scrum-Werte in der Praxis zu etablieren und die Zusammenarbeit auf die nächste Stufe zu heben.
FAQ
Bei den Scrum-Werten handelt es sich um Commitment, Fokus, Offenheit, Respekt und Mut. Diese Werte helfen dabei, die optimale Grundlage und ein offenes Mindset für agile Prozesse zu schaffen.
Es gibt 12 Scrum-Prinzipien, welche aus dem agilen Manifest (für Softwareentwicklung) stammen. Dieses Manifest bildet die Grundlage für Scrum und alle anderen agilen Frameworks. Die Prinzipien zeigen auf, wie agile Softwareentwicklung in der Praxis funktioniert. Sie können es als Vorgehensmodell betrachten, welche Anleitungen für die Praxis und das agile Arbeiten beinhaltet.
Nein, es gibt fünf Scrum-Werte und 12 (Scrum) Prinzipien. Die Prinzipien stammen aus dem agilen Manifest und dienen als Grundlage für jede Form von agiler Softwareentwicklung. Die Werte stammen hingegen aus dem Scrum Guide und sind für das Arbeiten mit dem Framework unabdingbar. In der Praxis verhelfen beide in Kombination, agile Prozesse und ein agiles Mindset zu entwickeln sowie zu leben.